Die Insel Mauritius
galt bisher als geologisch sehr jung. Erst vor rund neun Millionen
Jahren türmten Vulkane diese Insel im Indischen Ozean auf. Doch
jetzt haben Forscher im Gestein von Mauritius winzige Zirkonkörnchen
entdeckt, die bereits drei Milliarden Jahre alt sind. Dies spricht
dafür, dass unter der jungen Insel Reste eines alten Kontinents
liegen. Diese "Mauritia" getaufte Landmasse verband vor
rund 90 Millionen Jahren Indien mit Madagaskar, wurde dann aber in
kleine Stücke zerrissen.
Die östlich von
Madagaskar liegende Insel Mauritius ist den meisten als
Urlaubsparadies bekannt, dessen tropische Landschaft von Vulkanbergen
überragt wird. Nach gängiger Lehrmeinung entstand diese Insel, als
ein vulkanischer Hotspot sich vor rund neun Millionen Jahren durch
die ozeanische Kruste des Indischen Ozeans brannte und die Feuerberge
schuf. Im Jahr 2013 jedoch weckte ein Fund am Strand von Mauritius
erste Zweifel an diesem Szenario: In Sandkörnern entdeckten Forscher
Einschlüsse in winzigen Zirkonkristallen, die auf ein weit höheres
Alter der Insel schließen ließen und auf zumindest einen Rest
kontinentaler Kruste unter dem jungen Vulkangestein. Damals konnte
man aber nicht völlig ausschließen, dass die losen Körnchen über
das Meer angeschwemmt worden waren.
Um dies zu überprüfen, haben nun Lewis Ashwal von der University of the Witwatersrand in Johannesburg und seine Kollegen erneut Gesteinsproben aus Mauritius untersucht. Diesmal jedoch wurden die Proben nicht am Strand gesammelt, sondern aus einem offen liegenden Fels aus vulkanischem Trachyt geschlagen. Zwar war dieses Vulkangestein erst wenige Millionen Jahre alt, die Forscher hofften aber, dass die urzeitliche Lava bei ihrem Aufstieg aus der Tiefe auch weit ältere Zirkonkristalle mit nach oben befördert hatte. Tatsächlich wurden Ashwal und seine Kollegen fündig: Sie entdeckten 13 Zirkonkristalle, die sie näher analysieren und mittels Blei-Uran- und Uran-Thorium-Verfahren datieren konnten. Das Ergebnis: In drei der Zirkon-Körnchen wiesen die Wissenschaftler Material nach, das schon 2,5 bis 3 Milliarden Jahre alt war. Diese Kristalle stammen damit aus Gesteinsschichten, die weit älter sind als das junge vulkanische Deckgestein von Mauritius. Alter und Zusammensetzung der Zirkonkörnchen entsprechen altem Kontinentgestein, wie es heute beispielsweise noch im Zentrum Madagaskars vorkommt. "Damit bestätigen unsere Funde die Existenz alter Kontinentkruste unter Mauritius", berichten Ashwal und seine Kollegen.
Gedehnt und
zerrissen
Wo aber kommt dieser
Krustenrest her? Die Wissenschaftler gehen von folgendem Szenario
aus: Vor rund 130 Millionen Jahren brach vom alten Südkontinent
Gondwana ein Stück ab und begann, nach Norden zu driften. Dieses
Fragment bestand aus Madagaskar, der Indischen Platte und den
Seychellen. Vor rund 90 Millionen Jahren trennte sich Madagaskar von
Indien ab. Entgegen bisherigen Annahmen existierte jedoch damals im
Bereich zwischen diesen beiden Fragmenten ein alter Mikrokontinent,
von den Forschern "Mauritia" getauft. Als dann Indien vor
rund 80 Millionen Jahren weiter nach Norden wanderte, wurde dieser
Mikrokontinent auseinandergezogen und zerbrach in eine Ansammlung
kleiner Fragmente. Durch die vulkanische Aktivität in dieser Region
des Indischen Ozeans wurden die Fragmente weiter auseinandergedrängt.
"Mauritia wurde nach und nach zu einer schnurartigen
Konfiguration auseinandergerissen", so Ashwal und seine
Kollegen. Unterschiedlich große Teilstücke der kontinentalen Kruste
gliederten sich dabei in die ozeanische Kruste des neu entstehenden
Indischen Ozeans ein.
Heute sind die
Überreste des alten Mikrokontinents Mauritia über einen schmalen
Bogen verteilt, der von der Südwest-Spitze Indiens bis nach
Mauritius reicht. Auch das nördlich von Mauritius liegende
Flachwassergebiet Saya de Malha und das Chagos Archipel sind
Überreste dieser alten Landmasse. "Unsere Studie zeigt, dass
die vermeintlich homogene ozeanische Kruste längst nicht so
einheitlich ist wie angenommen", erläutert Michael Wiedenbeck
vom GeoForschungszentrum Potsdam GFZ. "Vielmehr verbergen sich
unter dem Meeresboden immer wieder Bruchstücke von alten
Kontinenten. Wir müssen sie nur entdecken."
(c) Thomas Schanz
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